Eine warme Dusche als Türöffner
Seit rund einem Jahr fährt der Verein „Flingern mobil“ mit Beratungsbus samt Duschanhänger durch Düsseldorf und sucht obdach- und wohnungslose Menschen auf. Im Projekt „jotdrop“ nutzen so mittlerweile täglich rund 50 Menschen das vielseitige Angebot – Tendenz steigend. Ein Erfolg, der zeigt: Die Dusche ist mehr als Hilfe zur Körperpflege. Sie ist oft Türöffner zu gesellschaftlicher Teilhabe.
Sein noch junges Angebot der mobilen Dusche namens „jotdrop“ bietet der seit 1997 u.a. in der aufsuchenden Drogenhilfe tätige Verein „Flingern mobil“ im Leistungssegment „Beratung und Begleitung“ an. Weitere Angebote des Vereins finden sich im Bereich Kinder- und Familienarbeit, in der Jugendhilfe und im Bereich Sozialbetriebe und Inklusion. In der „Beratung und Begleitung“ steht die aufsuchende Straßensozialarbeit im Fokus: Obdach- und wohnungslose Menschen werden dabei mit unterschiedlichsten Hilfs- und Beratungsangeboten erreicht.
Wie sich nach rund einem Jahr Einsatz der mobilen Dusche zeigt, erweist sich „jotdrop“ dabei als sehr geeignet, Zugang zu den auf der Straße lebenden Menschen zu finden. „Wir sehen tagtäglich, dass das Angebot eine wichtige Lücke im Hilfesystem füllt. Die Dusche läuft durchgängig, denn der Hilfebedarf ist groß“, sagt Klaus Kehrbusch, Vorstandsvorsitzender von Flingern mobil. Die starke Nachfrage zeige, dass ein solches Angebot der Klientel bislang gefehlt habe. Denn es biete den Menschen „einen seltenen Raum der Privatsphäre mit einer sauberen Dusch- und Waschmöglichkeit – niedrigschwellig, barrierefrei und kostenlos“, unterstreicht Kehrbusch.
Projekt für drei Jahre refinanziert
Laut Verein ist „jotdrop“ bislang die erste mobile Dusche für wohnungslose Menschen in NRW. Welche Straßen und Plätze in der Landeshauptstadt der Bus samt Duschanhänger anfährt, richtet sich danach, wo sich die Klientel aufhält. Dass das Projekt dabei viel mehr ist als Hilfe zur Körperpflege, betont Stephan Kläsener, Referent für Kommunikation und Marketing bei Flingern mobil. Denn das Projekt-Team ist mit drei Sozialarbeitenden, einer Pflegefachkraft und einer Support-Kraft multiprofessionell aufgestellt. Gemeinsam decken die Mitarbeitenden ein breites Portfolio an Hilfs- und Unterstützungsleistungen ab:
- barrierefreie und kostenlose Wasch- und Duschmöglichkeit,
- Versorgung von schmerzenden Wunden sowie Begleitung zu oft lebenswichtiger medizinischer Hilfe,
- Unterstützung bei der Grundversorgung durch Bereitstellung sauberer, warmer Kleidung und wichtiger Hygieneartikel sowie
- Beratung und Hilfe bei Anträgen auf Sozialleistungen oder bei Terminen bei Ärzten und Ämtern.
„In dieser gebündelten Form ist das Projekt sogar bundesweit einzigartig“, sagt Kläsener.
Der Betrieb von Beratungsbus und Duschanhänger ist für die Projektlaufzeit von drei Jahren finanziell gesichert. Möglich machten dies die „großzügige Unterstützung“ der Sozialstiftung und der Aktion Mensch, sagt Klaus Kehrbusch. Über den Projektzeitraum hinaus wird der Verein dann andere Finanzierungsquellen erschließen müssen. Kehrbusch: „Um das Projekt dauerhaft zu sichern und den notwendigen Ausbau zu finanzieren, sind wir auf Spenden und Förderpartnerschaften angewiesen.“
Wenn der Vereinsvorstandsvorsitzende vom „notwendigen Ausbau“ des Angebots spricht, stützt er sich auf Erfahrungswerte aus dem Projekt, die für sich sprechen: „Anfangs waren es noch 20 bis 30 Klientinnen und Klienten, die täglich zu uns kamen. Mittlerweile sind es bis zu 50 Menschen, die bei uns duschen, sich beraten lassen oder Hilfe bei der Grundversorgung in Anspruch nehmen.“ Die Nachfrage nach dem Angebot übersteige „schon jetzt die Kapazitäten mit einem Duschplatz deutlich“, sagt Kehrbusch und blickt nach vorne: „Aufgrund der weiterhin steigenden Nachfrage planen wir, weitere Duschplätze bereitzustellen.“
Neben den finanziellen Notwendigkeiten, ohne die so ein Projekt nicht zu realisieren wäre, verweist der Verein auch auf die gute Zusammenarbeit mit Unterstützern, Akteuren, Institutionen und Privatpersonen in der Stadt. Jotdrop lebe so von einem „starken Netzwerk“ insbesondere mit anderen Trägern im Arbeitskreis der Wohnungslosen- und Suchthilfe. Ein weiterer – nicht selbstverständlicher – Erfolgsfaktor sei auch das „vertrauensvolle Miteinander mit Polizei und Ordnungsamt. Nur durch gegenseitigen Respekt und Verständnis kann ein solches Angebot mitten in der Stadt dauerhaft funktionieren.“
Wieder ein eigenständiges Leben führen
Bei vielen Menschen, die das Dusch- und Beratungsangebot nutzen, prägen gesundheitliche Probleme – körperlicher, psychischer und seelischer Art – den Gesamtzustand. Sie profitieren unmittelbar vom beschriebenen multiprofessionellen Zuschnitt des Projekts. Stephan Kläsener fasst es so zusammen: „Viele Klientinnen und Klienten leiden unter einer schlechten körperlichen Verfassung: Sie haben unbehandelte Wunden, Schmerzen, Infektionen, chronische Erkrankungen. Auch seelisch sind viele stark belastet – durch Einsamkeit, Scham und Perspektivlosigkeit. Nicht selten gehen psychische Erkrankungen und Suchterkrankungen Hand in Hand. Wir helfen entsprechend ganzheitlich: Unsere Pflegekraft versorgt Wunden, während die Sozialarbeitenden zuhören, beraten und bei Terminen mit Ärzten und Ämtern sowie bei Sozialleistungsanträgen helfen.“
Am Beispiel eines jungen Klienten macht Kläsener deutlich, wie das Duschangebot den Mitarbeitenden Wege ebnet, weitere Hilfen im Wortsinn ,an den Mann zu bringen‘ und so wieder soziale Teilhabe zu ermöglichen: „Unmittelbar nach Projektstart kam ein junger Mann zu uns an unserem Standort in der Altstadt. Er war in einen klassischen Kreislauf aus Trennung, Wohnungsverlust und Alkohol geraten. Zunächst kam er nur wegen der Dusche. Durch die regelmäßigen Gespräche und das Vertrauen, das mit der Zeit entstand, konnten wir gemeinsam einen Therapieplatz organisieren. Inzwischen lebt er in einem WG-Zimmer einer betreuten Wohneinrichtung und arbeitet intensiv daran, wieder ein eigenständiges Leben führen zu können. Der Kontakt zu unserem Team besteht weiterhin.“
Die Arbeit der Mitarbeitenden im Projekt prägen so einerseits die unmittelbaren, spontanen Erfolgserlebnisse, die eine warme Dusche bei der Klientel auslösen kann. Als auch mittelfristig die oben beschriebene Erfahrung, dass andockende Beratung und Hilfen einen echten positiven Kipppunkt bewirken können. Kläsener: „Ein unmittelbarer Erfolg liegt im sichtbaren und spürbaren Unterschied, den eine warme Dusche bewirken kann. Oft kommen die Klientinnen und Klienten freudestrahlend aus dem Duschanhänger. Viele fühlen sich nach dem Duschen ,wie neu geboren‘. Nachhaltiger Erfolg stelle sich ein, führt Kläsener aus, „wenn dieses Gefühl von Würde und Selbstwert zum Schlüssel dafür wird“, dass Menschen wieder Vertrauen fassten und weitere Hilfen annähmen. „Das Team sieht jeden Tag, wie jotdrop Türen öffnet – zu Gesprächen, medizinischer Versorgung oder ersten Schritten in Richtung Stabilität und eigener Wohnung.“
Kehrbusch: „Projekt erfüllt Brückenfunktion“

Bei allen Erfolgserlebnissen sehen sich der Verein und seine Mitarbeitende zugleich damit konfrontiert, dass immer mehr Menschen von Obdach- und Wohnungslosigkeit betroffen sind – mit allen fatalen Begleiterscheinungen, die das individuell mit sich bringen kann. Klaus Kehrbusch sieht deshalb „die größte Herausforderung“ im Projekt darin, „dem stetig wachsenden Hilfebedarf gerecht zu werden“. Er führt aktuelle, vom Landessozialministerium erhobene Zahlen an: Demnach zählte die Landeshauptstadt bei der letzten Zählung im Juni 2024 bereits 5.945 Menschen ohne festen Wohnsitz. Die Tendenz sei stark steigend. Ein Jahr zuvor waren es noch 4.525 betroffene Menschen gewesen.
Kehrbusch verweist in diesem Zusammenhang auch auf allgemein vorhandene Lücken im Hilfesystem, welche die Arbeit im Projekt beeinflussten: „Die große Herausforderung für die Mitarbeitenden ist, das Vertrauen der Menschen zu gewinnen. Denn jede Form der Hilfe benötigt Vertrauen als Grundlage. Aber auch mit gewonnenem Vertrauen kann nicht bei allen Menschen kurzfristig eine Verbesserung der Lebenssituation erzielt werden. Das liegt auch daran, dass es an Therapieplätzen und Plätzen in betreuten Wohneinrichtungen mangelt.“
Zuversichtlich ist Kehrbusch, dass das Angebot der mobilen Dusche sich weiter etablieren werde, denn: „Schon heute ist jotdrop zu einem festen Bestandteil des Hilfesystems geworden.“ Die Erfahrungen der letzten Monate zeigten, dass der Bedarf an niedrigschwelligen Hygienemöglichkeiten für wohnungslose Menschen enorm ist – und dass das Angebot weit mehr leiste als nur Körperpflege. „Das Projekt erfüllt eine zentrale Brückenfunktion zwischen Straße, medizinischer Versorgung und Sozialarbeit. Eine Regelfinanzierung wäre daher auch aus sozialpolitischer Hinsicht wichtig, um die Kontinuität dieses bereits jetzt etablierten und wichtigen Hilfsangebots zu sichern.“
Infos zum Verein mit Sitz im Düsseldorfer Stadtteil Flingern: www.flingern-mobil.de
Zum Projekt und zur Möglichkeit zu helfen: www.jotdrop.de
Aus der BeWoPlaner-Redaktion
Autor: Darren Klingbeil
Fotos: Flingern mobil


