
Neuwahl 2025: Inklusionspolitischen Reformstau auflösen
Die Bilanz der Inklusions- und der Teilhabepolitik der nach drei Regierungsjahren zerbrochenen Ampel-Koalition im Bund fällt mager aus: Die Umsetzung des Bundesteilhabegesetz (BTHG) stockt. Gleiches gilt für Gesetzesreformvorhaben zum Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz AGG, zum Behindertengleichstellungsgesetz BGG, zum Gesetz zur Ausgestaltung der inklusiven Kinder- und Jugendhilfe IKJHG sowie zur Reform des Werkstattrechts. Durch das abrupte Ampel-Aus Anfang November 2024 befinden sich auch die genannten Gesetzesreformvorhaben im Schwebezustand bzw. bedürfen der gesetzgeberischen Wiedervorlage in der nächsten Legislaturperiode.
Der noch amtierende Behindertenbeauftragte der Bundesregierung, der Jurist Jürgen Dusel, fasste jüngst zusammen, was diese Stillstandpolitik in der Auswirkung auslöst: „Die strukturelle Benachteiligung zeigt sich auch daran, dass dringend notwendige inklusionspolitische Vorhaben von politisch Verantwortlichen oftmals auf die lange Bank geschoben werden. Das gilt auch für diese Legislaturperiode. Damit wird Politik unglaubwürdig und verspielt Vertrauen.“
Vor diesem Hintergrund forderte Dusel gemeinsam mit den behindertenpolitischen Beauftragten der Bundesländer in dem im Spätherbst 2024 verfassten „Bremer Appell“ von der neuen Bundesregierung und dem Parlament: Die oben genannten inklusionspolitischen Vorhaben aus der 20. Legislaturperiode des Deutschen Bundestages besonders müssen prioritär umgesetzt werden.1
„Gute Gesetze schaffen“ – Kern-Forderungen der Behindertenhilfe
Den Bruch der Ampel-Koalition bezeichnete auch die Bundesvorsitzende der Lebenshilfe und Bundesministerin a.D., Ulla Schmidt, anlässlich des Welttags für Menschen mit Behinderung am 3. Dezember als „harten Rückschlag für die Teilhabe von Menschen mit Behinderung in Deutschland“. Sie forderte die Parteien auf, die Bedarfe von Menschen mit kognitiver Beeinträchtigung in ihren Wahlprogrammen in den Blick zu nehmen. Besonders wichtig aus Sicht der Lebenshilfe ist dabei:
- mit einer zügigen Verabschiedung des Inklusiven Kinder- und Jugendhilfegesetzes (IKJHG) Teilhabe für alle Kinder und Jugendliche mit angemessener Finanzierung und verlässlichen Rahmenbedingungen zu schaffen,
- einen inklusiven Arbeitsmarkt mit einem Aktionsplan voranzubringen,
- und die Privatwirtschaft zu Barrierefreiheit zu verpflichten.
Schmidt erinnerte daran, dass nun seit 30 Jahren im Grundgesetz der Satz ‚Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden‘ steht. „Da kann es doch nicht sein, dass ausgerechnet die Schwächsten der Gesellschaft von der Politik vergessen werden. Auch die christlichen Parteien sollten ein starkes Interesse daran haben, gute Gesetze für die Teilhabe von Menschen mit Behinderung zu schaffen.“
Ihre politischen Forderungen – zur Bundestagswahl und darüber hinaus – fasst die Lebenshilfe aktuell in zentralen Forderungen auf ihrer Internetpräsenz zusammen. Im Fokus dabei sind neben dem IKJG insbesondere die Themen Umsetzung des BTHG, Wohnraum und Barrierefreiheit, inklusive Gesundheitsversorgung und der Arbeits- und Fachkräftemangel in der Behindertenhilfe. Um Letztgenannten zu mildern, formuliert die Lebenshilfe die folgenden konkreten Lösungsansätze:
- Einen „Gipfel zum Arbeits- und Fachkräftemangel in der Eingliederungshilfe“, der den dringenden Handlungsbedarf verdeutlicht.
- Schulgeldfreiheit und eine praxisintegrierte, bundesweit vergleichbare und in allen Bundesländern anerkannte, auch berufsbegleitend mögliche HEP-Ausbildung.
- Begrenzen der Leiharbeit in der Daseinsfürsorge durch gesetzliche Regelungen.
Drei Diakonische Verbände mit gemeinsamem Forderungsaufruf
Mit Forderungen nach sozialer Sicherung, mehr Wohnungen und Arbeitskräfte und weniger Bürokratie haben Anfang Januar auch drei diakonische und bundesweit tätige Verbände (BeB, DEVAP und VdDD) die politischen Parteien an den bestehenden Reformstau erinnert. Denn etwa im Bereich des Fachkräftemangels und der Über-Bürokratie überschneiden sich Probleme in der Eingliederungshilfe mit denen in Pflege und Gesundheit.
So fordern die diakonischen Bundesverbände den Quereinstieg in die Sozialberufe zu erleichtern: Es gelte die Vorgaben anzupassen, um die Branche für Personen mit ähnlichen Qualifikationen zu öffnen. Darüber hinaus biete die Digitalisierung und Künstliche Intelligenz (KI) das Potenzial, den Fachkräftemangel abzumildern. „Dafür braucht es Digitalisierungs- und Innovationsbudgets, um die dafür notwendigen Entwicklungen voranzutreiben“, so der VdDD-Vorstandsvorsitzende Dr. Ingo Habenicht. Zudem gelte es, die Bereiche Abrechnungs-, Dokumentations- und Vertragswesen bei Einstufungsprozessen und Antragsverfahren sowie das (doppelte) Prüfwesen systematisch in jedem Sozialgesetzbuch einem Bürokratie-Check zu unterziehen.
Ein weiteres Problem, das von der künftigen Bundesregierung angegangen werden müsse, sei die Bekämpfung des Wohnraummangels: Nach Angaben des evangelischen Bundesfachverband für Teilhabe (BeB) ist die Zahl der Sozialwohnungen mittlerweile auf ca. eine Million geschrumpft, während ca. 13 Millionen Menschen einen Anspruch darauf hätten. „Darüber hinaus besteht ein erheblicher Mangel an barrierefreien Wohnungen“, betont BeB-Vorstandsvorsitzender Pfarrer Frank Stefan. Menschen mit Behinderung und psychischer Erkrankung seien daher vom Wohnraummangel in mehrfacher Weise betroffen. „Die Finanzierung des Sozialen Wohnungsbaus durch den Bund muss intensiviert und Förderprogramme eingeführt werden, um gezielt Wohnraum für Menschen mit Hilfebedarf zu schaffen“, so die Forderung.2
BVKM: Wahlprüfsteine am 9. Januar veröffentlicht
Auch der Bundesverband für körper- und mehrfachbehinderte Menschen (bvkm) will vor der Wahl am 23. Februar 2025 auf die Anliegen von Menschen mit Behinderung und ihren Familien aufmerksam machen und hat seine am 9. Januar veröffentlichten wichtigsten Forderungen an die Politik in Wahlprüfsteinen zusammengefasst und an die Politik weitergeleitet. Neben anderen Forderungen thematisiert der Verband etwa den Aspekt selbstbestimmten Lebens aller Menschen mit Behinderung in der Eingliederungshilfe und kritisiert, dass „die schleppende Umsetzung des BTHG, zu dem sich der Verband grundsätzlich bekennt, bisher dazu führe, „dass Menschen mit Behinderung Leistungen der Eingliederungshilfe nur teilweise bedarfsgerecht erhalten“. Dies gelte insbesondere für Menschen mit hohem Unterstützungsbedarf. „Die Bürokratie im Bereich Antragstellung, Dokumentation, Gesamtplan- und Prüfungsverfahren verhindert, dass der Mehrwert der Assistenzleistungen und die entsprechend vom Bund bereitgestellten finanziellen Mittel bei den Menschen mit Behinderung ankommen. Der Verband fordert deshalb, Menschen mit komplexer Behinderung bei jedem Schritt zur Umsetzung des BTHG in die Praxis mitzudenken und erwartet, „das Wunsch- und Wahlrecht von Menschen mit Behinderung nicht länger einem Kostenvorbehalt zu unterstellen. Auch muss die Eingliederungshilfe für Menschen mit Behinderung unabhängig von Einkommen und Vermögen gewährt werden. Eine inklusive Gesellschaft stellt notwendige Unterstützungsleistungen kostenfrei zur Verfügung.“3
CBP: Bürokratie abbauen
Auch der Caritas Behindertenhilfe und Psychiatrie e.V. (CBP) forderte bereits in einer Pressemitteilung anlässlich des 3. Dezembers wichtige politische Weichenstellungen zum Abbau bürokratischer Hürden, insbesondere um die Integration internationaler Arbeits- und Fachkräfte auch in der Eingliederungshilfe schneller zu ermöglichen und so den Personalmangel abzufedern.
Der CBP fordert deswegen, die Einwanderung von Arbeitskräften zu vereinfachen. Eine zentrale Koordinierungsstelle, die bei der Bundesagentur für Arbeit etabliert werden sollte, könne als Ansprechpartner für alle beteiligten Behörden dienen und so ein einheitliches und schnelles Verfahren garantieren. Eine Beschleunigung der Anerkennung ausländischer Berufsabschlüsse sei ebenfalls erforderlich, um die Integration von Fachkräften in den Arbeitsmarkt zu erleichtern. Zur Entbürokratisierung gehöre zudem die Reduktion von Fristen sowie die Optimierung der Abläufe durch digitale Lösungen und verbindliche Verfahrensstandards.
Sozialunternehmen seien für den Staat als Akteure der Daseinsvorsorge von großer Bedeutung, erinnerte der Verband. Gewährleisteten sie doch essenzielle Leistungen auf Basis eines Rechtsanspruchs, wodurch Teilhabe und Chancengleichheit gesichert werden. „Die zunehmende Komplexität rechtlicher Vorgaben führt jedoch zu einer untragbaren Bürokratielast, welche die Sozialunternehmen überfordert. Als nicht gewinnorientierte Einrichtungen sind sie nicht in der Lage, etwaige Mehrkosten durch Preissteigerungen zu kompensieren, sondern sind auf Verhandlungen mit Ländern und Kommunen angewiesen. Vor dem Hintergrund angespannter öffentlicher Haushalte scheitern diese oft", konstatierte der CBP-Vorsitzende Wolfgang Tyrychter.4
Auf seiner Online-Präsenz hat der Verband Anfang Januar seine Kernforderungen zur Bundestagswahl 2025 bereits in Kurzfassung veröffentlicht – eine Langfassung soll bis Ende Januar folgen, kündigt der CBP an. Die Kernforderungen:
- Arbeits- und Fachkräfte: Voraussetzungen für selbstbestimmte Teilhabe und Versorgungssicherheit schaffen
- Sozialer Wohnungsbau: Räume für ein selbstbestimmtes Leben bieten
- Teilhabe am Arbeitsleben: Qualifikation durch Aus- und Weiterbildung, Stärkung des inklusiven Arbeitsmarkts und Erhalt und Weiterentwicklung der Werkstätten
- Bürokratieabbau für Einrichtungen und Dienste der Eingliederungshilfe: Kapazitäten für Teilhabe gewähren
- Barrierefreie Gesundheitsversorgung: Medizinische und rehabilitative Bedarfe decken
- Digitale Transformation: Prozesse vereinfachen, Arbeits- und Fachkräfte entlasten, Zugänge und Assistenz ermöglichen5
Sozialen Rechtstaat erhalten – gegen Ausgrenzung und Diskriminierung
Die oben genannten Verbände arbeiten zusammen mit dem Anthropoi Bundesverband im Bündnis „Die Fachverbände – für Menschen mit Behinderung zusammen“. Als Bündnis vertreten sie eigenen Angaben zufolge so zirka 90 % der Dienste und Einrichtungen für Menschen mit geistiger, seelischer, körperlicher oder mehrfacher Behinderung in Deutschland. Auch als Bündnis haben die fünf Fachverbände sich die oben genannten Forderungen zu eigen gemacht und zur Bundestagswahl eingefordert. Darüber hinaus haben sie als Bündnis aber auch grundsätzlich vor einem Abbau des Sozialstaats gewarnt, vor allem, weil „demokratiefeindliche den Sozialstaat und Inklusion in Frage stellen“.
In einer Pressemitteilung vom 28. November 2024 bereits erinnerten die Fachverbände deshalb daran, dass „die soziale Sicherheit und Versorgung von Menschen mit Behinderung in der Verantwortung des Staates“ liegen. Die Ausführung dieser staatlichen Aufgabe seien an die freien Träger der Eingliederungshilfe delegiert worden. Festzustellen sei, „dass derzeit die Versorgungssicherheit für Menschen mit Behinderung gefährdet ist“. Als Fachverbände verlangen sie „von allen politischen Parteien, sich zur Bundestagswahl am 23. Februar 2025 klar zu einem solidarischen Sozialstaat und einer gerechten und inklusiven Gesellschaft zu bekennen“, erklärte Pfarrer Frank Stefan, Vorstandvorsitzender des BeB. Der Schutz der Menschenrechte in Deutschland sei Kernbestandteil unserer Demokratie, erinnerte Stefan. „Die Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention und die Stärkung der individuellen Rechte von Menschen mit Behinderung dürfen nicht aus dem Blick geraten. Maßgeblich hierfür sind die Schaffung von barrierefreien Sozialwohnungen, die Förderung inklusiver Arbeitsplätze und die dringend notwendige Gewinnung von Fachkräften. Ein inklusives Deutschland ist ein starkes Deutschland, in dem jeder Mensch sein Potenzial entfalten kann.“6
Wie finden sich Forderungen und Appelle in den Parteiprogrammen wieder?
Welchen Stellenwert räumen die zur vorgezogenen Bundestagswahl antretenden Parteien den Themen Inklusionspolitik und Teilhabe von Menschen mit Behinderung ein? Ein Blick in die Wahlprogramme bzw. vorläufigen Wahlprogramme (beim Verfassen dieses Artikels lagen einige Wahlprogramme nur in vorläufiger Fassung vor, sie mussten noch von Parteigremien beschlossen werden) lässt sich so zusammenfassen: Viele unkonkrete Allgemeinplätze – aber dass etwas in Punkto Inklusion und Verwirklichung von Teilhaberechten geschehen muss, scheint durchaus erkannt.
Ein kurzer Überblick an dieser Stelle, was die drei Parteien CDU, SPD und die Grünen zum Thema Behindertenpolitik in Aussicht stellen:
Union: Gesundheitssystem inklusiver gestalten
Die Union aus CDU und CSU stellt in fest (S. 59-60 des Wahlprogramms), dass Deutschland bei der Teilhabe „noch nicht am Ziel“ sei. Sie will deshalb die „Selbständigkeit, Eigenverantwortlichkeit und Teilhabe von Menschen mit Behinderungen weiter stärken“. Einen inklusiven Sozialraum und Barrierefreiheit sieht die Union „als Mehrwert für alle Generationen“. Etwas konkreter wird sie in den folgenden Absichtserklärungen:
- „Mehr Chancen bieten. Wir erleichtern Menschen mit Behinderungen den Zugang zu Ausbildung und Arbeit mit passgenauen Impulsen für einen inklusiven Arbeitsmarkt. Dafür stärken wir sowohl die Vermittlung auf den ersten Arbeitsmarkt als auch Inklusionsbetriebe und Werkstätten. Denn sie bieten einen geschützten Raum, um sich im Arbeitsleben zu erproben.
- Leistungen aus einer Hand. Unser Ziel ist es, eine integrierte Leistungsplanung einzuführen. Für den Bürger soll es keine Rolle mehr spielen, wie viele Sozialleistungsträger gerade für ihn zuständig sind.
- Gesundheitssystem inklusiver gestalten. Wir setzen uns für weitere Verbesserungen beim barrierefreien Zugang zur gesundheitlichen Versorgung und Informationen ein. Wir führen den Aktionsplan für ein diverses, inklusives und barrierefreies Gesundheitswesen fort. Aufwändige Antragsprozesse für Hilfsmittel, insbesondere für Kinder mit Behinderungen, werden wir vereinfachen.
- Mehr Achtsamkeit im öffentlichen Raum. Barrieren in Bus und Bahn müssen schneller beseitigt werden. Gleiches gilt für Hürden im Alltag wie beliebig abgestellte Leihräder und -roller, die gerade für blinde und sehbehinderte Menschen eine Unfallgefahr sind.
- Bildungsvielfalt erhalten. Wir fördern Gebärdensprache als Minderheitensprache. Wir sorgen für individuelle Bildungsmöglichkeiten für Schülerinnen und Schüler mit Behinderungen und sehen neben Inklusionsangeboten auch Förderschulen als Bestandteil der Bildungswelt.“7
SPD: Gewaltschutz mit im Fokus
Die Sozialdemokarten beteuern in ihrem „Entwurf eines Regierungsprogramms“ (auf den Seiten 36-37), sie wollten „echte Teilhabe in einer inklusiven Gesellschaft“. Damit Menschen mit Behinderungen ihr Recht auf volle, wirksame und gleichberechtigte Teilhabe verwirklichen können, will die SPD, sollte sie wieder in Regierungsverantwortung kommen, insbesondere folgende Vorhaben umsetzen:
- Barrierefreiheit im privaten und im öffentlichen Bereich verbessern. „Wir werden private Anbieter von Waren und Dienstleistungen verpflichten, Barrieren abzubauen oder – wo dies nicht möglich ist – angemessene Vorkehrungen zu ergreifen. Darüber hinaus werden wir die Barrierefreiheit im Wohnungsbau, bei der Mobilität, im Digitalen und in der Gesundheit zu einem Schwerpunkt machen.“
- Verwirklichung des gleichen Rechts auf Arbeit für Menschen mit Behinderungen. „Dazu werden wir die Aufnahme einer Arbeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt verstärkt fördern und die Weiterentwicklung der Werkstätten für behinderte Menschen zügig umsetzen. Dabei werden wir auch die Einkommenssituation der Werkstattbeschäftigten verbessern.“
- Effektiver Gewaltschutz und Verschärfung der gesetzlichen Regelungen für Gewaltschutzkonzepte in Einrichtungen und Dienstleistungen der Behindertenhilfe.
- Rehabilitation und Teilhabe für Menschen mit psychischen Beeinträchtigungen. „Ihre Zahl ist in den vergangenen Jahren kontinuierlich angestiegen – auch als Folge der Covid-19-Pandemie. Wir stellen sicher, dass der Bedarf von Menschen mit psychischen Beeinträchtigungen im gegliederten System der Rehabilitation und Teilhabe besser als bisher erkannt und bedarfsorientiert adressiert wird.“8
Grüne: „Enquetekommission Inklusion“ einrichten
Ausführlicher befasst sich das vorläufige Wahlprogramm der Grünen (auf Seite 53) mit Inklusion und Teilhabepolitik. Und die Grünen machen zum Teil auch konkretere Vorschläge, wie Behindertenrechte besser als heute eine gesellschaftliche Umsetzung erfahren können. Die Vorschläge hier in zum Teil verkürzter Übersicht:
- „Wir wollen eine inklusive Gesellschaft schaffen, in der Menschen mit Behinderung gleichberechtigt und selbstbestimmt teilhaben können. Wir setzen uns dafür ein, dass dieses Recht endlich Wirklichkeit wird. (…). Um das zu erreichen, richten wir eine Enquetekommission Inklusion ein, (…).
- Barrierefreiheit soll endlich in allen Bereichen konsequent umgesetzt werden: Die Gebäude des Bundes wollen wir innerhalb von zehn Jahren barrierefrei machen. Auch Anbieter*innen öffentlich zugänglicher Angebote und Dienstleistungen sollen Vorkehrungen zur Barrierefreiheit treffen, (…).
- Wir wollen, dass Menschen mit Behinderung ihre Potenziale gleichberechtigt auch auf dem ersten Arbeitsmarkt einbringen (…). Wir wollen deshalb das heutige ausgrenzende Werkstättensystem in Richtung Inklusionsunternehmen weiterentwickeln, in denen Menschen (…) mindestens nach Mindestlohn entlohnt werden und Rentenansprüche erwerben können. (…)
- Die Eingliederungshilfe mit ihren Schnittstellen – insbesondere zu Sozialhilfe, Behandlung und Pflege – wollen wir verbessern und vereinfachen, damit Betroffene niedrigschwellig und schnell Zugang zu Leistungen erhalten. (…)
- Wir wollen, dass Menschen mit Behinderung selbst entscheiden können, wo und wie sie wohnen. Auch deshalb wollen wir den Ausbau inklusiver Wohnformen vorantreiben und fördern und die Beratung dazu verbessern. Hürden, die das Wunsch- und Wahlrecht von Menschen mit Behinderung einschränken, wollen wir abbauen. Deshalb stärken wir das persönliche Budget (…).
- Menschen mit Behinderung sind häufiger von Gewalt betroffen als nicht behinderte Menschen. Wir wollen, dass der Schutz vor Gewalt für alle Menschen gilt und bauen den Gewaltschutz in Einrichtungen der Behindertenhilfe aus.“9
Ein Tipp zum Schluss: Eine gute Übersicht aller Wahlprogramme der Parteien mit Aussicht darauf in Fraktionsstärke in den 21. Bundestagswahl einziehen zu können, liefert die Online-Präsenz der Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg
Aus der BeWoPlaner-Redaktion
Autor: Darren Klingbeil
Foto: Adobe Stock