Soziotherapie

Im Alltag wieder selbständig sein

Soziotherapie soll Menschen mit schweren psychischen Erkrankungen dabei helfen, therapeutische Maßnahmen in Anspruch zu nehmen und sich im Alltag selbständig zurechtzufinden. Dabei kommen verschiedene Methoden zum Einsatz.

Menschen mit psychischen Erkrankungen erhalten oft Unterstützung durch eine ambulante Psychotherapie oder regelmäßige Termine bei Fachärzt:innen aus dem Bereich Psychiatrie und Psychotherapie. Manche Menschen sind jedoch so stark beeinträchtigt, dass es ihnen schwerfällt, eine Therapie in Anspruch zu nehmen. Sie haben Schwierigkeiten, ihren Alltag zu bewältigen und können die in der Psychotherapie erörterten Maßnahmen nicht eigenständig umsetzen.

Gründe dafür können sein:

  • Die Betroffenen haben wenig Antrieb, Ausdauer oder sind wenig belastbar und daher nicht in der Lage, alltägliche Aufgaben zu erledigen.
  • Ihre Fähigkeit, sich zu konzentrieren, sich Dinge zu merken, Neues zu lernen oder Probleme zu lösen, ist krankheitsbedingt eingeschränkt.
  • Ihr planerisches Denken und Handeln ist beeinträchtigt und es fällt ihnen deshalb schwer, ihren Alltag zu organisieren und Termine einzuhalten.
  • Die Betroffenen haben Schwierigkeiten, soziale Kontakte zu knüpfen.
  • Ihre Fähigkeit, Krankheitssymptome oder eine Verschlechterung ihrer Erkrankung zu registrieren, ist eingeschränkt und sie haben Schwierigkeiten, Konfliktsituationen und Krisen zu erkennen.

Soziotherapie soll Menschen mit schwer ausgeprägten psychischen Erkrankungen alltagsnah dabei unterstützen, die für sie geeigneten Therapien selbständig wahrzunehmen. Dazu gehören das Einhalten von Terminen, die regelmäßige Einnahme von Medikamenten und die Umsetzung der in der Psychotherapie erarbeiteten Maßnahmen.  Ziel der Soziotherapie ist es, eine Verschlechterung der Erkrankung und eine stationäre Behandlung zu vermeiden. Außerdem soll sie den Betroffenen helfen, im Alltag besser zurechtzukommen und wieder ein selbständigeres Leben zu führen.

Individuell auf die Bedürfnisse abgestimmt

Eine Soziotherapie findet ambulant statt und wird an die individuellen Bedürfnisse der Klient:innen angepasst. Zu Beginn sprechen sich Soziotherapeut:in, Klient:in und Psychotherapeut:in bzw. ärztlich Behandelnde über die geplanten Maßnahmen und den zeitlichen Ablauf ab. Daraus erstellen sie einen so genannten Betreuungsplan. Auch im weiteren Verlauf stimmen sich alle Beteiligten regelmäßig über das Vorgehen ab. Häufig werden auch Familienangehörige, Freunde oder andere Bezugspersonen in die Behandlung einbezogen.

Typische Erkrankungen, bei denen eine Soziotherapie verordnet werden kann, sind eine Schizophrenie, eine bipolare Störung oder eine schwere Depression. Aber auch bei anderen psychischen Erkrankungen ist eine Soziotherapie möglich, wenn sie schwer oder chronisch verlaufen oder wenn gleichzeitig weitere psychische oder körperliche Erkrankungen vorliegen – zum Beispiel eine Persönlichkeitsstörung, eine Suchterkrankung oder eine chronische Schmerzerkrankung. Auch wenn psychisch kranke Menschen in ihrer Mobilität stark eingeschränkt sind oder große Schwierigkeiten haben, sich im Alltag zurechtzufinden und ärztlich verordnete Maßnahmen in Anspruch zu nehmen, kommt eine Soziotherapie in Betracht.

Soziotherapeut:innen unterstützen die Betroffenen bei der Bewältigung alltäglicher Aufgaben und bei der Strukturierung ihres Tages- und Wochenablaufs. Dabei gehen sie ganz praxisnah vor, indem sie die Klient:innen zum Beispiel zu Terminen wie Arztbesuchen oder einer Psychotherapie begleiten. Gleichzeitig vermitteln sie Fähigkeiten, um im Alltag möglichst unabhängig zu bestehen und auch um einer Verschlechterung der Erkrankung vorzubeugen. Meist findet Soziotherapie als Einzeltherapie statt, einige Maßnahmen können auch in Gruppen durchgeführt werden.

Kompetenzen stärken, Frühwarnzeichen erkennen

Dabei kommen bestimmte Methoden zum Einsatz, die sich häufig mit den Maßnahmen einer Psychotherapie ergänzen:

  • Aufbau einer Vertrauensbasis: Zu Beginn arbeiten Soziotherapeut:innen daran, eine vertrauensvolle Beziehung zu ihren Klient:innen aufzubauen, um eine gute, oft  längerfristige Zusammenarbeit zu ermöglichen.
  • - Motivationsarbeit: Ziel ist die Stärkung der Motivation, des Durchhaltevermögens und der Belastbarkeit der Klient:innen, zum Beispiel mithilfe konkreter Übungen.
  • - Stärkung der persönlichen Fähigkeiten: Es werden Fertigkeiten erarbeitet, die helfen sollen, den Alltag (wieder) selbständig zu meistern. Dabei gehören alltagspraktische Fähigkeiten wie Einkaufen oder Kochen. Es gilt aber auch Kompetenzen zu vermitteln, um Impulse besser steuern und Konflikte lösen zu können.
  • Entwicklung von Aktivitäten: Die Klient:innen werden dabei unterstützt, aktiver zu werden, etwa eine Freizeitaktivität zu beginnen oder soziale Kontakte zu knüpfen bzw. wieder aufzunehmen.
  • Erkennen von Frühwarnzeichen: Soziotherapeut:innen arbeiten mit ihren Klient:innen daran, Belastungen im Alltag oder Anzeichen, die auf eine Verschlechterung der Erkrankung hindeuten, rechtzeitig zu erkennen. In einem Krisenplan wird festgehalten, was im Falle einer Verschlechterung oder Krise zu tun ist.
  • Verbesserung sozialer Kompetenzen: Hier lernen die Klient:innen zum Beispiel, Kontakte zu knüpfen und aufrecht zu erhalten, ihre Meinung zu sagen, Beziehungen zu gestalten oder Konflikte mit Mitmenschen zu lösen. Häufig wird dies mit praktischen Übungen erarbeitet. Diese können auch in einer Gruppe stattfinden.
  • Unterstützung in Krisensituationen: Im Falle einer Krise leisten Soziotherapeut:innen Unterstützung – immer in enger Absprache mit dem behandelnden Ärzte- oder Psychotherapeuten-Team.

Eine weitere wichtige Aufgabe der Soziotherapie ist es, die verschiedenen Therapien und Hilfestellungen, die die Klient:innen erhalten – etwa Ergotherapie, Physiotherapie oder den Besuch einer Tagesstätte – miteinander zu koordinieren.

Aus der BeWoPlaner-Redaktion
Text: Dr. Christine Amrhein, Dipl. Psychologin
Foto: Adobe Stock

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Quellen

Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV): Soziotherapie. Hinweise zur Verordnung für Ärzte und Psychotherapeuten. Aktualisierte Ausgabe September 2020. Link: https://www.kbv.de/media/sp/PraxisWissen_Soziotherapie.pdf

Webseite des Bundesverbands Soziotherapie e. V.: Link: https://soziotherapie.eu/

Webseite Psychiatrienetz, Dachverband Gemeindepsychiatrie e. V.: Themen & Engagement / Soziotherapie / Was ist Soziotherapie? Link: https://www.dvgp.org/themen-engagement/soziotherapie/was-ist-soziotherapie.html

Webseite Oberberg Kliniken: Therapien / Was ist eine Soziotherapie? Link: https://www.oberbergkliniken.de/therapien/soziotherapie

Wikipedia: Soziotherapie. Link: https://de.wikipedia.org/wiki/Soziotherapie