Eher dünn gesät

Herausforderungen bei der Soziotherapie – und Lösungsansätze

Bisher gibt es in manchen Regionen Deutschlands nur wenige Soziotherapeut:innen. Das könnte sich durch bessere Rahmenbedingungen wie etwa in Nordrhein-Westfalen ändern. Sie sollten auch in anderen Bundesländern und möglichst deutschlandweit umgesetzt werden.

Seit 2002 gibt es das Angebot für schwer psychisch kranke Menschen, Soziotherapie in Anspruch zu nehmen. Im Jahr 2015 wurde die Gruppe der Klient:innen, die einen Anspruch auf diese Leistung haben, noch einmal erweitert – ebenso wie der Kreis der Fachpersonen, die Soziotherapie verordnen können. Ziel dabei war es, mehr betroffene Personen mit dem Angebot tatsächlich zu erreichen.

Allerdings gibt es bundesweit bisher relativ wenig zugelassene Soziotherapeut:innen. Ihre Zahl ist dabei von Region zu Region unterschiedlich, und in einigen Städten und Regionen gibt es nur wenige oder gar keine Soziotherapeut:innen. Ein Grund dafür ist, dass die Anforderungen, die man für eine Zulassung zur Soziotherapie erfüllen muss, zum Teil recht hoch sind. Sie werden in der Regel von den Krankenkassen festgelegt und können von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich sein.

Eine der Voraussetzungen war laut der Empfehlungen der Spitzenverbände der Krankenkassen, dass jemand mindestens zwei Jahre Berufserfahrung im psychiatrischen Bereich nachweisen muss – davon ein Jahr in einer psychiatrischen Klinik und ein Jahr in der ambulanten sozialpsychiatrischen Versorgung. Allerdings wurde diese Voraussetzung 2022 geändert: Nun muss nur noch ein Jahr Beruferfahrung im stationären oder ambulanten psychiatrischen Bereich nachgewiesen werden.

Die Vergütung für Soziotherapie ist gemessen am zeitlichen Aufwand in vielen Bundesländern gering. So kommen bei einer Soziotherapie Gespräche mit anderen Behandlern, Vorbereitung auf Termine und Fahrten zu den Klient:innen hinzu, die nicht extra bezahlt werden.

Interesse von Fachpersonen eher gering

Die Folge: Psychosoziale Trägervereine sind zwar daran interessiert, Soziotherapie anzubieten. Doch das Interesse von Fachkräften, sich zu Soziotherapeut:innen ausbilden zu lassen, ist relativ gering.

Ärzt:innen oder Psychotherapeut:innen, die Soziotherapie verordnen können, beurteilen das Angebot positiv. Doch durch den Mangel an Soziotherapeut:innen stellen sie die Verordnung von Soziotherapie häufig ein. Und die wenigen ambulanten Soziotherapeut:innen sind häufig so ausgelastet, dass sie keine weiteren Personen annehmen können.

Dazu kommt: Viele, für die eine Soziotherapie in Frage kommt, kennen das Angebot nicht. Auch manche Ärzt:innen und Psychotherapeut:innen, die Soziotherapie verordnen könnten, kennen das Angebot entweder gar nicht oder sind nicht genug informiert, für wen es in Frage kommt.

Vorbilder Nordrhein-Westfalen und Sachsen

Eine Vorstellung, wie eine bessere Versorgung mit Soziotherapie gelingen kann, geben die Bundesländer Nordrhein-Westfalen und Sachsen. In Nordrhein-Westfalen wurde 2018 vom Bundesverband Soziotherapie e. V. ein Rahmenvertrag mit den Krankenkassen ausgehandelt, in dem die Qualifikationskriterien für eine Zulassung festgelegt wurden. Gleichzeitig wurde eine Vergütungsvereinbarung geschlossen, in der angemessene Honorare für alle Anbieter von Soziotherapie vereinbart wurden. Weiterhin kann der Verband Fachpersonen, die eine Zulassung für Soziotherapie anstreben und die Voraussetzung für die Ausbildung erfüllen, an die Krankenkassen empfehlen.

Dadurch ist das Interesse von Ärzt:innen und Psychotherapeut:innen, eine Zulassung für Soziotherapie zu erhalten, deutlich gestiegen. Nordrhein-Westfalen ist dadurch das einzige Bundesland, in dem es landesweit eine größere Zahl von Soziotherapeut:innen gibt.

Andere Bundesländer sollten das Modell übernehmen

In Sachsen haben die Spitzenverbände der psychosozialen Trägervereine – zu denen die Caritas, die Diakonie, das Deutsche Rote Kreuz (DRK) und die Arbeiterwohlfahrt (AWO) gehören – ein Interesse daran, mehr Soziotherapie anzubieten und mehr Soziotherapeut:innen einzustellen. Dies wird auch vom Sächsischen Staatsministerium für Soziales und Gesellschaftlichen Zusammenhalt unterstützt. Die psychosozialen Trägervereine führen in Sachsen jährlich Verhandlungen mit den Krankenkassen, um eine angemessene Vergütung für Soziotherapie zu erreichen. Dadurch konnten die Bedingungen bereits deutlich verbessert werden. Im November 2024 ist zudem eine Tagung geplant, in der es darum gehen soll, wie die Rahmenbedingungen für Soziotherapie weiter verbessert werden können.

Sinnvoll wäre es, wenn mehr Bundesländer das Modell von Nordrhein-Westfalen übernehmen würden. Eine weitere Möglichkeit wäre eine bundesweite Rahmenvereinbarung, die sich an diesem Modell orientiert. Politik und Interessensverbände sollten darauf hinarbeiten, dieses Ziel zu erreichen. Wichtig wäre zudem, dass die Ausbildungsvoraussetzungen für Soziotherapie von Fachleuten und nicht von den Krankenkassen festgelegt werden.

Unterstützung für Soziotherapeut:innen und Klient:innen

Unterstützung bei der Umsetzung von Soziotherapie leistet der Bundesverband Soziotherapie. Er berät Fachpersonen, die sich dafür interessieren, Soziotherapie anzubieten – auch wenn sie keine Mitglieder des Verbands sind. Auch Klient:innen, die eine Verordung für Soziotherapie haben und in ihrer Umgebung keinen Soziotherapeuten finden, können sich an den Bundesverband Soziotherapie e. V. wenden. Dieser bemüht sich dann darum, geeignete Leistungserbringer zu finden.

Eine weitere Möglichkeit ist die so genannte Einzelvereinbarung. Dabei kann Soziotherapie von einer Fachperson – zum Beispiel aus der Gemeindepsychiatrie – durchgeführt werden, die zwar nicht von der Krankenkasse als Soziotherapeut:in zugelassen ist, aber entsprechend qualifiziert ist und bereit ist, die Soziotherapie zu übernehmen.

Wissen, wo man Informationen erhält

Für Klient:innen kann es hilfreich sein, zu wissen, wo sie nach Angeboten in ihrer Umgebung suchen können. Folgende Anlaufstellen können Auskunft über Soziotherapeut:innen in der Region geben oder Adresslisten zur Verfügung stellen:

  • die Webseite des Bundesverbands Soziotherapie e. V. Hier ist eine Suche nach Regionen möglich.
  • der / die behandelnde Ärzt:in oder Psychotherapeut:in
  • die jeweilige Landespsychotherapeutenkammer
  • die eigene Krankenkasse
  • der sozialpsychiatrische Dienst
  • evt. die Kassenärztlichen Vereinigungen

Hilfreich sein können die fünf Probestunden zu Beginn einer Soziotherapie, die nicht bei der Krankenkasse beantragt werden müssen. Darin können Klient:in und Sozioherapeut:in sich kennenlernen und herausfinden, ob sie in einer Soziotherapie zusammenarbeiten möchten. Gut zu wissen ist auch, dass die Kosten für die Stunden bis zur Bewilligung der Soziotherapie von der Krankenkasse übernommen werden.

Aus der BeWoPlaner-Redaktion
Text: Dr. Christine Amrhein, Dipl. Psychologin
Foto: Adobe Stock

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Quellen

Informationen von Michael Hibler, Vorsitzender des Bundesverbands Soziotherapie e. V.

Informationen von Kay Herklotz, Vorstand des Psychosozialen Trägervereins Sachsen e.V.

Gemeinsame Empfehlungen der Verbände der Krankenkassen auf Bundesebene zu den Anforderungen an die Leistungserbringer für Soziotherapie in der Fassung vom 6. September 2022. Link: www.vdek.com/LVen/HES/Vertragspartner/Pflege/soziotherapie/_jcr_content/par/download_0/file.res/Gemeinsame%20Empfehlung%20Anforderungen%20Soziotherapie_06092022.pdf

Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV): Soziotherapie. Hinweise zur Verordnung für Ärzte und Psychotherapeuten. Aktualisierte Ausgabe September 2020. Link: https://www.kbv.de/media/sp/PraxisWissen_Soziotherapie.pdf

Webseite des Bundesverbands Soziotherapie e. V.: Link: https://soziotherapie.eu/

Webseite Psychiatrienetz, Dachverband Gemeindepsychiatrie e. V.: Themen & Engagement / Soziotherapie / Was ist Soziotherapie? Link: https://www.dvgp.org/themen-engagement/soziotherapie/was-ist-soziotherapie.html