Sport als Schlüssel zur Teilhabe

Experteninterview mit Dr. Volker Anneken über Chancen, Barrieren und konkrete Wege zu mehr Bewegung für alle.

Sport stärkt das Selbstvertrauen, schafft Begegnung und fördert soziale Teilhabe. Doch für viele Menschen mit Behinderung gibt es noch immer Hürden beim Zugang zu passenden Angeboten. Im Interview spricht Dr. Anneken, Mitglied der Geschäftsführung in der Gold-Kraemer-Stiftung, über die Bedeutung von Bewegung, über Barrieren im Alltag und darüber, was sich ändern muss, damit Inklusion im Sport gelingen kann.

Ganz allgemein: Welche Rolle spielt Sport Ihrer Meinung nach für die soziale Teilhabe von Menschen mit Behinderung – jenseits der körperlichen Betätigung?

Anneken: Sport schafft Begegnung zwischen Menschen und weckt dabei fast immer tolle Emotionen. Das führt bei positiven Erlebnissen im Sport dazu, sich mehr zuzutrauen und sich selbstbestimmter und selbstwirksamer zu empfinden. Dies wiederum kann sich positiv auf ein selbstbewusstes Teilhaben im eigenen sozialen Umfeld auswirken. Voraussetzung ist natürlich, dass es der Sport ist, auf den die Person Lust hat, es dieses Angebot auch vor Ort gibt und die Person regelmäßig motiviert ist, teilzunehmen.

Räumliche, organisatorische und gesellschaftliche Barrieren erschweren vielen Menschen mit Behinderung noch immer den Zugang zu inklusiven Sportangeboten. Welche Hürden erleben Sie in Ihrer Arbeit besonders häufig? Und was müsste sich ändern, um echte Teilhabe zu ermöglichen?

Anneken: Ich sehe nach wie vor zwei wesentliche Barrieren im Zugang zum Sport für Menschen mit Behinderung. Einerseits existieren nach wie vor zu wenig passende Angebote, auf die wohnortnah zurückgegriffen werden kann. Andererseits ist für Menschen mit ausgeprägten Beeinträchtigungen die Assistenz und Unterstützung rund um die Teilnahme am Sport unzureichend organisiert. Also: mehr Vielfalt auch in den Sportangeboten und mehr Assistenz ermöglichen vor dem Hintergrund der gesetzlichen Rahmenbedingungen des BTHGs. Diese beiden Stellschrauben wären für mich der „Gamechanger“ für mehr Teilhabe am Sport.

Welche Rolle können Einrichtungen der Eingliederungshilfe spielen, um inklusive Bewegung und Sport in ihren Alltag zu integrieren?

Anneken: Einrichtungen und Mitarbeitende der Eingliederungshilfe sind zentrale Förderer aber auch Barrieren gelingender Teilhabe am Sport für Menschen mit Behinderung. Wir haben festgestellt, dass es einen großen Unterschied macht, wie die Haltung der Leitungen und Mitarbeitenden gegenüber Sport ist. Gibt es eine positive Einstellung, nehmen mehr Menschen mit Behinderung aus der Einrichtung oder dem Dienst am Sport teil. Ist die Einstellung eher negativ bzw. von geringem Interesse, nehmen weniger Bewohner und Bewohnerinnen an Sportangeboten außerhalb der Einrichtung teil. Man kann es so formulieren: wo ein Wille, da findet sich auch ein Weg, die Dienste so zu organisieren, dass eine Förderung sportlicher Aktivität unterstützt wird. Schlussendlich sollte Bewegung und Sport immer schon individuell in der Teilhabeplanung berücksichtigt werden.

Wenn Sie an die nächsten zehn Jahre denken: Welche Entwicklung im inklusiven Sport würden Sie sich am meisten wünschen?

Anneken: Ich würde mir wünschen, dass in zehn Jahren durch flächendeckende Angebote in Sportvereinen und bei sonstigen Sportanbietern jeder Mensch mit Behinderung zumindest grundsätzlich die Wahl hat, an einem Sportangebot in seinem sozialen Umfeld teilnehmen zu können. Es geht nicht darum, dass jeder Sportanbieter oder Verein alles anbietet. Aber es muss im Sport mehr Vielfalt herrschen, neben den traditionellen Angeboten auch noch mehr alternative und innovative Konzepte zu etablieren. Da ist schon viel geschaffen, aber auch noch viel mehr möglich.


Infos zur Person: 

Dr. Volker Anneken ist Mitglied der Geschäftsführung in der Gold-Kraemer-Stiftung in Frechen. Er setzt sich seit über 20 Jahren mit wissenschaftlichen und praktischen Fragen für mehr Teilhabe und Inklusion von Menschen mit Behinderung auseinander. Bewegung und Sport sind für ihn dabei zentrale Erfolgsfaktoren.

Aus der BeWoPlaner-Redaktion
Titelfoto: Adobe Stock
Foto Dr. Anneken: Privat